BAUMWERDER
STILL RUHT DER SEE
Bereits 1752 soll sich Christian Ludwig Möhring als Erbpächter des 41.000 Quadratmeter großen und nahezu runden Eilands dort an einer Seidenraupenzucht und später sogar einer Zuckerrohrplantage versucht haben. Doch beides schlug fehl, und 1762 verkaufte er Baumwerder und die Nachbarinsel Scharfenberg an Viktor von Holwede, der sie wiederum seinem Bruder Friedrich überließ. Als Friedrich starb, heiratete Alexander Georg von Humboldt im Jahr 1766 die verwitwete Freifrau Marie-Elisabeth von Holwede (Eltern der berühmten Humboldt-Brüder) – und so ging die Insel in den Besitz der Humboldts über.
Doch da blieb sie nicht lange, denn der Botaniker Dr. Carl Bolle erwarb 1867 neben der Insel Scharfenberg auch Baumwerder. Dessen Nachfolger Adolph Bolle verpachtete die Insel im Jahr 1909 an Ernst Weber, der eine Badeanstalt mit Schankbetrieb eröffnete. Doch schneller als Ernst Weber lieb war, wurde die Freibadestelle verboten, weil „Personen in Badekostümen oder in teilweise anstößiger Kleidung“ badeten.
Kurz darauf gab es wieder einen Besitzerwechsel: 1910 erwarb die Stadt Berlin das Eiland für 800.000 Mark – und verpachtete einige Parzellen an Arbeiter aus dem Wedding. 60 der regelmäßig auf die Insel kommenden Naturfreunde gründeten 1914 den „Verein der Naturfreunde Baumwerder e.V.“.
Klappt man das schwere historische Fotoalbum auf, kann man sehen, wie lebendig es hier auf der Insel zuging: Tanz in schicken Kleidern auf einer eigens gezimmerten Bühne, die Melodien eines kleinen Orchesters im Grünen, die Musiker barfuß und nur mit Badehosen bekleidet. Erfrischung einer Frauengruppe im Tegeler See – natürlich ging keine ohne ihre schicke Kopfbedeckung ins Wasser. Schließt man die Augen, kann man die Musik, das Lachen der Menschen und das Aufspritzen des Wassers hören und sich die Feiern, den Spaß und den Alltag der Mitglieder des Vereins lebhaft vorstellen.
Um die Wasserversorgung sicherzustellen, wurde ein kleiner Abessinierbrunnen – auch Rammbrunnen genannt – angeschafft, der Wasser aus geringer Tiefe nach oben beförderte. Und für nur 50 Pfennig konnte man sich den ganzen Sommer mit Wasser versorgen. Auch ein Bad im See war sehr beliebt, aber da jedoch das Freibaden nach wie vor verboten war, gab es häufiger Kontrollen. Der Kontrolleur ließ sich von einem Angler übersetzen und befühlte dann die Badehosen der Anwesenden – und diejenigen mit nassen Hosen mussten Strafe zahlen. Um diese Strafe abzuwenden, begossen sich daraufhin alle Anwesenden mit Wasser, sobald der Kontrolleur wieder auf der Insel war – und niemand konnte bestraft werden.
Bereits um 1934 standen auf Baumwerder verschiedene Holzlauben von insgesamt 325 Besitzern. Und es gab sogar ein Restaurant zum Freibad mit warmer Küche, Kaffee und Kuchenangebot.
Doch all das ist nun vorbei. Stille ist eingekehrt, die Lauben mussten Anfang der 1940er Jahre abgebaut werden, denn die Berliner Wasserwerke weiteten ihre Anlagen zur Trinkwassergewinnung auch auf die Insel aus. So musste der Verein die Insel räumen. Doch die Mitglieder fanden auf der kleinen Schwesterinsel Reiswerder kaum mehr als einen Kilometer entfernt ein Ersatzgelände. Und so verschifften sie mitten im Krieg ihre Zelte und Klapplauben stückweise über den See auf die Nordseite Reiswerders, die ihnen die Stadtverwaltung als neues Refugium zugewiesen hatte.
Hilfe beim Umzug erhielten die Naturfreunde von den Wasserwerken: Sie stellten eine Schute für den Transport der zerlegten Häuschen zur Verfügung.
Auf Baumwerder entstanden insgesamt 14 neue Tiefbrunnen von 20 bis 170 Metern Tiefe und ein Maschinenhaus. Auch drei Versickerungsbecken wurden im Innern der Insel angelegt. Dort hinein wird vorgefiltertes Seewasser gepumpt, das dann über Jahre versickert und so gereinigt wird. Heute ist Baumwerder ein wichtiger Trinkwasserlieferant – mehr als 10.000 Berlinerinnen und Berliner werden über die zehn Brunnen versorgt.
Ein Spaziergang über das Eiland ist sehr beeindruckend: Man sieht die Kormorane in den Bäumen am Ufer und die Spuren von Wildschweinen an den Rändern eines Trampelpfades. Der Schwarze Nachtschatten gedeiht hier gut. Seine schwarzen kleinen Früchte und die weißen Blüten leuchten im dichten Grün gemeinsam um die Wette. Und still ruhen die Seen im Inselinneren ...